Die Welle – Klassenspiel der 11. Klasse
Klassenspiel Die Welle am 25. und 26. Juli 2025
Plötzlich steht aus dem Publikum jemand auf. Und dort noch eine, und noch einer. Unbemerkt haben sich die jungen Akteure unter die Zuschauer gemischt. In der „Welle“ könnten wir alle sein… hoffentlich aber nicht! Ausnahmeregisseur Lucas Amerbacher bringt ein Stück nach einem wahren Experiment auf die Bühne der freien Waldorfschule Böblingen, das uns „aus den Latschen kippt“, wie er zu Recht in der Einleitung verkündet.
Unmerklich, aber unaufhaltsam schlittert eine Klasse in dem Experiment in Gruppenzwang, (natürlich „Gemeinschaft“ genannt, wie leicht doch Sprache scharf neben der Wahrheit zu lügen vermag!). Es ist ja nur für „das Gute“, und wer nicht dafür ist, wird aus der „Gemeinschaft der Guten“ ausgestoßen, nicht nur sozial, sondern auch schnell mit Fäusten und Füßen.
Grauenvolle, dokumentarische Videoaufnahmen des Nazideutschland vermischen sich mit der zunehmend gruseligen Eigendynamik der „Wellenpartei“, die mit ihrem Geschrei im Chor den Saal erzittern lassen. Auschwitz fasst in einem Wort das Unfassbare zusammen, Mengele nahm der Medizin ihren hippokratischen Geist und stürzte sie in tiefe Schuld.
Plötzlich sind auch die Eingänge des Theatersaals mit Uniformierten im Gleichschritt verstellt: Trauen sich jetzt die Guten noch für die Wahrheit einzutreten? Und nicht mitzumachen?
Von allen Widerstandskämpfern ist die Auffassung überliefert: „Schlimmer, als die schlimmen Taten der Bösen ist das Schweigen der Guten“, Martin Luther King. Sophie Scholl hat es so gesagt und auch Albert Einstein.
Der Tiefenpsychologe Carl Gustav Jung wurde nicht müde zu betonen, daß die Masse per se immer minderwertiger als das Individuum ist. Das deckt sich mit einem Zitat der Videoeinspielungen der Faschisten: der Einzelne löst sich in der Masse auf.
Der anthroposophische Geist, wie er (nicht nur in diesem Theaterstück!) an der Waldorfschule gelebt und praktiziert wird, steht dem diametral und fundamental entgegen. Faschismus geht gegen die Kern-DNA der Waldorfphilosophie.
Im Morgengruß sagt der Schüler: Ich! blicke auf die Welt, ich als fühlendes Individuum, und nicht eine Pseudogemeinschaft, oder gar ein „Führer“, der mir seine Sicht aufzwängt.
Am Schluß des Experiments erschießt sich ein Anhänger der Welle, der Zusammenbruch der Illusion zerstört sein Ich, das er vorher schon längst aufgegeben hatte.
Wolfram Kunz

