Klassenspiel der 11. Klasse – Blaubart Reloaded
Wenn in einem Stück die Rolle „Leiche“ gleich achtmal besetzt ist, kann es sich wohl kaum um leichte Kost handeln. So dunkel im Hintergrund des kollektiven Bewusstseins ist es ja, das Märchen vom Adligen Blaubart, der seiner Frau den Schlüssel zur geheimen Kellertür gibt, gleichzeitig verbunden mit dem strikten Verbot, sie je zu öffnen.
Mit Chefarzt und „Schönheitschirurg“ Dr.Barbleu ist die albtraumhafte Geschichte beklemmend in die Gegenwart übersetzt. Und Fälle von glänzender Fassade, hinter der sich grausamste Abgründe verbergen, sind leider auch heute immer wieder Fakt.
Die Grundfrage menschlichen, existenziellen Vertrauens wird hier aufgeworfen, angefangen vom Vertrauen in ein Taxi zu steigen, in der Steigerung sich beim Zahnarzt bohren zu lassen, bis zur Beziehung mit dem Partner.
Was die Waldorfschule unter der Regie von Lucas Amerbacher am 21.und 22 Juni auf die Bühne gebracht hat, ist mehr als beeindruckend. Während oben bei Techno-Beat und kalten Stroboskopblitzen die mondäne Party tobt, öffnet die Frau natürlich! gegen das Verbot die Tür zur Kammer des Schreckens…
Ihre Schreie gehen den Zuschauern durch Mark und Bein, ich schiele nach links und nach rechts: Betroffenheit und blankes Entsetzen spiegeln sich auf allen Gesichtern.
Jetzt einfach zu sagen, tolle Leistung von Schülern!, fantastische Regie von Lucas Amerbacher, würde der Aufführung nicht gerecht werden, dazu bin ich – sind alle zu sehr im Innersten berührt und gehen nachdenklich nach Hause… denn das war nicht etwa nur ein „Klassenspiel“ sondern echtes Theater und als solches schon lange nicht mehr nur ein Geheimtipp für die Region.
Ach, so ein Zufall, just zu Blaubart musste der Schulschreiber (dieser Zeilen) mit dem Taxi anreisen…
Wolfram Kunz